Straßennamen in der Nordstadt

Inhaltsverzeichnis

Die Hauptstraßenzüge

 

Es sind dies im Westen die Franz-Lust-Straße, im Süden die Moltkestraße, im Osten der Adenauerring und im Norden die Straße Am Wald, die der äußeren Erschließung dienen und zum Teil auch die Stadtteilgrenzen bilden. 

Von Hauptstraßen durchschnitten wird der Stadtteil in Süd-Nord-Richtung von der Erzbergerstraße im Westen und von der Willy-Brandt-Allee im Osten sowie in West-Ost-Richtung von der Michiganstraße im Süden und vom Kanalweg im Norden. Diese Straßen umschließen, zusammen mit einem Teil des Adenauerrings, die Mitte der Nordstadt, die ehemalige Amerikanersiedlung. Weil diese Straßen im Siedlungsgebiet gelegen sind, werfen sie einige Verkehrs- und Sicherheitsprobleme auf, besonders für querende Fußgänger und Radfahrer. 

Im Jahr 1995 wurde das nördliche Teilstück der Blücherstraße, zwischen Städtischem Klinikum und der ehemaligen Infanteriekaserne, umbenannt in Franz-Lust-Straße. Die Stadt Karlsruhe erinnert damit an den hoch angesehenen Kinderarzt Prof. Dr. Franz Lust (* 28.7.1880 in Frankfurt am Main, † (Freitod) 22.3.1939 in Baden-Baden). Franz Lust kam in den Jahren des 1. Weltkriegs als Oberarzt an das Krankenhaus der damaligen preußischen Kadettenanstalt an der Moltkestraße. Vom badischen Landesverband für Säuglings- und Kleinkinderfürsorge wurde ihm 1920 die Leitung des am Durlacher Tor neu eingerichteten Kinderkrankenhauses übertragen. Im Jahr 1933 wurde ihm wegen seiner jüdischen Herkunft das Betreten der Klinik verboten. Zunächst übte er seinen Beruf in einer Privatpraxis aus, bis ihn 1938 das generelle Berufsverbot für jüdische Ärzte zur Aufgabe zwang. „Gebrochen an Leib und Leben“ (so in einem Abschiedsbrief an seine Frau) kehrte er nach einer kurzen Inhaftierung in Dachau noch einmal nach Baden-Baden zurück, wo er 1939 in großer Verzweiflung seinem Leben ein Ende setzte.

Die Moltkestraße ist seit 1888 benannt nach Helmuth Graf von Moltke, desgleichen erinnert sie heute auch an den Gegner der Nationalsozialisten Helmut James Graf von Moltke (siehe Teil 1).

Der Adenauerring hat mehrere Umbenennungen hinter sich. Im Jahr 1929, unter dem Namen Parkring zur Erschließung der Sportstätten im Wildpark eröffnet, wurde er 1933 in Horst-Wessel-Ring umbenannt (H. W.: Zum Märtyrer aufgebauter Nationalsozialist, 1930 bei einer Schlägerei erschossen). 1945 erfolgte die Rückbenennung in Parkring und schließlich 1967 die Namensgebung nach dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Konrad Hermann Joseph Adenauer (* 5.1.1876 in Köln, † 19.4.1967 in Rhöndorf). Adenauer war von 1917 bis 1933 und für einige Monate im Jahr 1945 Oberbürgermeister der Stadt Köln. Zwischen 1934 und 1945 war er mehrfach in Haft. Mit Unterstützung der Alliierten konnte er nach Kriegsende „seine“ Partei, die CDU, aufbauen und wurde 1949 zum Bundeskanzler gewählt. Er führte die Bundesrepublik in diesem Amt nach mehrmaliger Wiederwahl bis zum Jahr 1963. Dabei setzte er auf eine enge Anbindung an die USA und die westeuropäischen Staaten, wobei er u. a. besonders die Aussöhnung mit Frankreich verfolgte.

Den Norden des Stadtteils begrenzt die Straße Am Wald, die zwischen den jüngsten Baugebieten nördlich des Kanalwegs und der Heide-Siedlung verläuft. Die Straße wurde 1970 nach dem dortigen Flurnamen benannt.

Auf der durch die Verlegung des Hauptbahnhofs frei gewordenen Trasse der Bahnlinie Karlsruhe – Neureut – Graben­-Neudorf (– Mannheim) wurde ab 1912 sukzessive eine Straße angelegt. Diese wurde 1921 nach dem ehemaligen Kommandeur der 28. Division der Armee des deutschen Kaiserreichs (zu der u. a. auch das in Karlsruhe stationierte 1. Badische Leibgrenadierregiment Nr. 109 gehörte) und dem späteren Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg benannt. 1946 drängte die amerikanische Militärregierung darauf, dass alle Bezeichnungen „nazistischer oder militärischer Art“ beseitigt werden. Auf Beschluss des Stadtrats wurde u. a. daraufhin die Hindenburgstraße in Erzbergerstraße umbenannt, die auch nach dem Bau der Amerikanersiedlung ihren Namen beibehielt. Matthias Erzberger (* 20.9.1875 in Buttenhausen, † (ermordet) 26.8.1921 bei Bad Griesbach) wurde bereits 1903, als damals jüngster Abgeordneter, für das Zentrum in den Reichstag gewählt. 1918 leitete er als Staatssekretär in der Regierung Max von Badens die Waffenstillstandskommission und unterzeichnete auf Wunsch Paul v. Hindenburgs den Waffenstillstand mit den Alliierten. Wegen der Befürwortung des Versailler Vertrags wurde er in der Folgezeit als „Volksverräter“ geschmäht. Als Finanzminister schuf er 1919 die Grundlage des heutigen deutschen Steuersystems. Bei einem Spaziergang in der Nähe von Bad Griesbach im Schwarzwald wurde Erzberger von zwei rechtsradikalen, ehemaligen Marineoffizieren erschossen.

Im Osten wird der bewohnte Kernbereich der Nordstadt von einer bedeutenden Ausfallstraße tangiert, der ehemaligen Linkenheimer Landstraße. Diese wurde 1835 bereits nach der nördlich von Karlsruhe gelegenen Gemeinde Linkenheim benannt. Das südliche, zwischen Moltkestraße und Rosenhof gelegene Teilstück dieser Straße, wurde 1994 in Willy-Brandt-Allee umbenannt. Willy Brandt (* 18.12.1913 in Lübeck, † 8.10.1992 in Unkel) war von 1957 bis 1966 regierender Bürgermeister von Berlin, danach Außenminister und von 1969 bis 1974 Bundeskanzler. Als Mitglied der von den Nationalsozialisten verbotenen Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands war er 1933 nach Norwegen emigriert. Unmittelbar nach Kriegsende wieder nach Deutschland zurückgekehrt, begann seine politische Karriere als Berliner Abgeordneter im ersten deutschen Bundestag. Aufgrund seines entschlossenen Handelns während des Berlin-Ultimatums (1958) und während des Mauerbaus (1961) erlangte er eine enorme Popularität. Für seine Ostpolitik, die auf Entspannung und Ausgleich mit den europäischen Staaten ausgerichtet war, erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis.

Die Michiganstraße, benannt nach dem US-Bundesstaat Michigan (siehe Teil 1) kann als südliche Querspange im Stadtteil angesehen werden.

In vergleichbarer Weise gilt dies für den Kanalweg als nördliches Pendant. Unter dem Kanalweg, der seine Benennung 1946 erhielt, verläuft ein städtischer Hauptsammelkanal. Die Straße wurde bereits Ende der 30er Jahre im Zusammenhang mit dem Bau der Freiherr-von-Forstner-Kaserne (siehe Nordstadtzeitung Nr. 36, Juni 2006) angelegt und erhielt 1940 den Namen Forstnerstraße. 1995 wurden die beiden am westlichen Ende vom Kanalweg nach Norden abgehenden Stichstraßen Ohio Street (US-Bundesstaat) und Massachusetts Street (US-Bundesstaat) integriert. 

Die Schlossstrahlen

 

Die Moltkestraße mit den beiden mächtigen, den Straßenzug dominierenden ehemaligen Militärgebäuden, bildet im Süden zwischen Reinhold-Frank-Straße/Adenauerring und Blücherstraße/Franz-Lust-Straße die Grenze zwischen der Nordstadt und der Weststadt. Diese Straße ist in den Plänen des 18. und 19. Jahrhunderts als „Mühlburger Allee“ eingetragen. Sie wurde im Jahr 1888 nach Helmuth Graf von Moltke (* 26.10.1800 in Parchim, † 24.4.1891 in Berlin) benannt. Von 1858 bis 1888 war v. Moltke Chef des preußischen Generalstabs. Heute erinnert die Stadt Karlsruhe mit der Namensgebung auch an Helmuth James Graf von Moltke (* 11.3.1907 in Kreisau, † (hingerichtet) 23.1.1945 in Berlin Plötzensee). Während des 2. Weltkriegs war v. Moltke als Jurist im Oberkommando der Wehrmacht tätig und nutzte seine Stellung zunächst zum individuellen Widerstand gegen das NS-Regime. Später sammelte er auf seinen Gut Hitler-Gegner aus verschiedenen politischen Lagern um sich („Kreisauer Kreis“).

Die im Mittelteil von ausladenden Eichen gesäumte Knielinger Allee ist in unserem Stadtteil, zwischen Adenauerring und Franz-Lust-Straße, in ihrem ursprünglichen Verlauf vollständig erhalten. Die auf die ehemals selbstständige Gemeinde Knielingen verweisende Bezeichnung stammt aus der Gründungszeit Karlsruhes und wurde 1921 nach dem Ausbau der Allee zur Straße (Baugenossenschaft Hardtwaldsiedlung) offiziell so festgeschrieben. Zwischen der Erzbergerstraße und dem Adenauerring steht seit 1971 die (neue) Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe.

Im Uhrzeigersinn weiter folgt die ehemalige Stangenackerallee, die nach erfolgtem Ausbau 1921 (s. o.) den Namen Dunkelallee erhielt. Als 1953 das die südliche Begrenzung der Amerikanersiedlung (Paul Revere Village) bildende Teilstück der Dunkelallee zwischen dem Parkring (heute Adenauerring) und der Erzbergerstraße in Michiganstraße (nicht Michigan Street) umbenannt wurde, war dies ein erster Schritt in die – aus Sicht des Verfassers – bedauernswerte „Zerstückelung“ historischer Grundlinien der Stadt Karlsruhe. Mit einer schwer nachvollziehbaren Fortsetzung in jüngster Zeit, wie noch gezeigt werden wird. Die Namensgebung erfolgte im Übrigen zu Ehren einer Studienkommission aus dem US-Bundesstaat Michigan, die seinerzeit ausschließlich der Fächerstadt (!) Karlsruhe einen Besuch abstattete. 

Ab der Erzbergerstraße verlängert die Alfons-Fischer-Allee die Michiganstraße nach Westen und trifft am Alten Flugplatz auf den Ikarusplatz. Dieses Teilstück der ehemaligen Dunkelallee wurde 1964 nach dem Mediziner Dr. Alfons Fischer (* 12.12.1873 in Posen, † 18.05.1936 in Karlsruhe) benannt. Fischer war Mitbegründer und Geschäftsführer der „Badischen Gesellschaft für soziale Hygiene“. Deren Hauptanliegen war das Aufdecken und Bewusstmachen von Gesundheitsgefährdungen aufgrund bestimmter Lebens- und Arbeitsbedingungen. Der östliche Anschluss an die Michiganstraße heißt seit 1964 Willy-Andreas-Allee. 

Nahezu untergegangen ist die Binsenschlauchallee. Sie reicht gerade eben noch ab dem Adenauerring mit einem „Trampelpfad“ in die Nordstadt hinein. Der Binsenschlauch war im 18. und 19. Jahrhundert ein mit Binsen bewachsener Abzugsgraben im Hardtwald. Zwischen den Gebäuden Nr. 28 und Nr. 36 der Tennesseeallee ist sein Verlauf noch zu erahnen. Die nordöstliche Kante des Gebäudes Nr. 31-35 liegt auf der Achse der ehemaligen Allee. Der Binsenschlauchweg in der Nordweststadt hat keinen geografischen Bezug zur historischen Binsenschlauchallee.

An dieser Stelle sei ein kurzer Einschub gestattet: Die angehenden Architekten Hermann Backhaus und Harro Brosinsky erlangten in der Aufbruchstimmung des Jahres 1949 den Auftrag zum Bau der Siedlung für geplante 5.000 Angehörige des amerikanischen Militärs, die Amerikanersiedlung. Dabei richteten sie links und rechts die Baukörper im südlichen und mittleren Teil der Tennesseeallee wie die Schlossstrahlen radial auf den Schlossturm aus.

Die bereits auf den ältesten Plänen so benannte Welschneureuter Allee ist in unserem Stadtteil in Resten noch vertreten. Sie ist zunächst als „Trampelpfad“ ab dem Adenauerring entlang der südwestlichen Begrenzung der Sportanlagen des FSSV auszumachen und mündet dann in die Zufahrt zur städtischen Kindertagesstätte, Kentuckyallee 120. Zwischen den Gebäuden Tennesseeallee 82-88 und 92-98 ist sie noch als einfach befestigter Gehweg bis zur Tennesseeallee vorhanden. Sie führte früher über den heutigen Alten Flugplatz hinweg (wie auch auf Luftaufnahmen noch zu erkennen ist) und markiert mit der abknickenden Friedrich-Naumann-Straße und der Schweigener Straße in der Nordweststadt die ehemalige Grenzlinie zwischen der Stadt Karlsruhe und der bis 1975 selbstständigen Gemeinde Neureut. War es Absicht, die amerikanische Kapelle (heute „Maria Magdalena“) auf diesem Schlossstrahl zu errichten?

Die Allee ist benannt nach der 1699 gegründeten „Colonie Welschneureut“, südlich der bestehenden Gemeinde Neureut, zur Aufnahme von Glaubensflüchtlingen aus Südfrankreich (Hugenotten) und aus dem Piemont (Waldenser). Anmerkung: „Welsch“ = aus Welschland (Frankreich, Italien oder Spanien) stammend. Zur Unterscheidung wurde das bisherige Neureut von da an „Teutschneureut“ genannt. 1935 wurden beide Ortschaften zur Gemeinde Neureut vereinigt. Für Interessierte: Am Haupteingang zum Friedhof Neureut-Süd steht der „Waldenserstein“ mit einer erläuternden Inschrift.

Nahezu vollständig erhalten oder wiedererstanden in unserem Stadtteil ist die Teutschneureuter Allee. Zunächst als Geh- und Radweg von der Kreuzung Willy-Brandt-Allee/Adenauerring in die Nordstadt hineinführend. Fortgesetzt als Kentucky Avenue (1953), benannt nach dem Bundesstaat Kentucky in den USA. Ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Strahlensymbolik wurde 1995 die nach Südwesten abgehende Vermont Avenue (1953) integriert und der gesamte abknickende Straßenzug bis zum Kanalweg in Kentuckyallee umbenannt.

Bei der Konversion der Smiley Barracks wurde die Chance ergriffen, die ehemalige Allee wieder bis zur Straße Am Wald, dem alten Endpunkt, fortzusetzen und sichtbar zu machen. Seit dem Jahr 2002 wirbt die Bauträgerin Volkswohnung mit dem Slogan „Wohnen am Schlossstrahl“. Von allen guten Schlossgeistern verlassen zerstückelten und verringelten die Stadtmütter und -väter im gleichen Jahr ungeachtet des weltweit einmaligen Stadtgrundrisses den „Schlossstrahl“ im Südteil zum Vermontring (!), nach dem US-Bundesstaat Vermont und den Nordteil zum Indianaring (!), nach dem US-Bundesstaat Indiana. Anmerkung: In seinem Gastbeitrag für die BNN vom 27. März 2007 beschreibt Martin Wacker (Pressesprecher der Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH und Stadionsprecher des KSC), Nordstadtbewohner in der MiKa, seine Vision für Karlsruhe 2015: “Zunächst sehe ich einen unverwechselbaren Fächergrundriss mit einem Schloss im Mittelpunkt. In der Gegenwart wird diese wunderbare Chance der Alleinstellung nur recht halbherzig genutzt“. Man könnte ergänzen: gelegentlich sogar zerstört! 

Jenseits der Willy-Brandt-Allee, im südwestlichen Zipfel des Wildparks, treffen wir auf ein Kuriosum, die Kurze Allee, die in unserem Stadtteil vom Adenauerring bis zum Kanalweg reicht, wo sie bereits endet. Zwischen der Willy-Brandt-Allee und der Kurzen Allee befindet sich der Schießstand der Schützengesellschaft von1721.

Im Uhrzeigersinn folgt die Eggensteiner Allee, benannt nach der ehemals selbstständigen Gemeinde Eggenstein, auf deren Ortsmitte sie etwa hinzielt. Sie führt durch den typischen Hardtwald mit dominierendem Kiefernbestand, stellenweise alten Eichen und weiteren Laubbäumen. Die Allee zählt bis zum Kanalweg zur Nordstadt und endet wenig später an einer Weggabelung am Rosenhof. 

Die leicht östlich an Linkenheim vorbei weisende Linkenheimer Allee bildet zwischen dem Adenauerring und der Gemarkungsgrenze zu Neureut (etwa 400 m nördlich des Kanalwegs) die Stadtteilgrenze zwischen Nordstadt und Oststadt. Die Allee endet heute am Pfinz-Entlastungskanal.

Die Straßen im Süden

 

Der südliche Teil der Nordstadt wird umrissen von der Franz-Lust-Straße im Westen, der Lilienthalstraße und der Michiganstraße im Norden, dem Adenauerring im Osten sowie von der Moltkestraße im Süden. Es handelt sich hierbei um das älteste Siedlungsgebiet der Nordstadt, geprägt von den ehemaligen Militärbauten an der Moltkestraße und von der Hardtwaldsiedlung. Mit Ausnahme der Lilienthalstraße sind alle hier genannten Straßen bereits in Teil 1 oder 2 dieser Serie besprochen worden.

Von Ost nach West durchzogen wird das Gebiet von einem deutlich auszumachenden Schlossstrahl, nämlich der Knielinger Allee sowie von der Michiganstraße und der Alfons-Fischer-Allee, die, zusammen mit der Willy-Andreas-Allee, einen weiteren Schlossstrahl bilden (siehe Teil 1).

Parallel zur Moltkestraße trifft man auf der Rückseite der heute von Behörden genutzten Militärbauten auf die Grenadierstraße. Diese Straße wurde 1911 nach dem von 1803 bis 1945 in Karlsruhe bestehenden Grenadierregiment benannt.

Ebenfalls in Ost-West-Richtung verlaufend zieht die Friedrich-Blos-Straße von der Erzbergerstraße bis zur Kleingartenanlage „Exerzierplatz e.V.“ durch die Mitte der Hardtwaldsiedlung. Friedrich Blos (* 8.6.1853 Karlsruhe, † 8.1.1920 Karlsruhe) führte ein angesehenes Kaufhaus in Karlsruhe. Er war seit 1908 Stadtrat und leitete zahlreiche städtische Kommissionen. Noch in seinem Todesjahr wurde die Straße beim Aufbau der Hardtwaldsiedlung nach ihm benannt. 

Im Westen der Siedlung beginnen die im Wesentlichen von Süden nach Norden verlaufenden Straßenzüge mit der Gustav-Binz-Straße, zwischen Grenadierstraße und Knielinger Allee. Sie hieß ursprünglich Löcherschlagstraße (seit 1921) und wurde 1931 auf Wunsch der Anwohner umbenannt. Gustav Binz (* 9.2.1849 Mahlberg bei Lahr, † 6.11.1937 Achern) war vier Jahrzehnte lang als angesehener Anwalt in Karlsruhe tätig. 1912 war er Mitbegründer und danach Leiter des Karlsruher Jugendbildungsvereins. Es folgen die Freydorfstraße (1891) zwischen Moltke- und Grenadierstraße und die Damaschkestraße (1925), die an der Grenadierstraße beginnt und am Alten Flugplatz in der Nähe des Ikarusplatzes endet. Karl Wilhelm Eugen von Freydorf (* 3.2.1781 Karlsruhe, † 25.7.1854 Karlsruhe), Sohn des Markgrafen Christoph von Baden aus dessen morganatischer (nicht standesgemäßer) Ehe mit Katharina Höllischer, war zunächst aktiver Offizier. Nach einer schweren Verwundung wurde er in der Militärverwaltung eingesetzt und war schließlich von 1833 bis 1848 Kriegsminister Badens. Adolf Wilhelm Ferdinand Damaschke (* 24.11.1865 Berlin, † 30.7.1935 Berlin) fand nach kurzer Tätigkeit als Volksschullehrer sein Lebensthema in der Bodenreform. Er versuchte seine Einsichten auch in der Praxis umzusetzen und gründete Siedlungsgesellschaften und Mietgenossenschaften. Seinen politischen Anhängern gelang es 1920 das Reichsheimstättengesetz durchzubringen. Auch die Hardtwaldsiedlung fußt auf wesentlichen Elementen der von Damaschke entwickelten Konzepte.

Das „Herz“ der Siedlung im Hardtwald ist der Waldring südlich der Knielinger Allee. Mit dem Doppel-Halbkreis des Waldrings und den von der Knielinger Allee nach Norden abgehenden, annähernd parallel verlaufenden Straßen, der Karl-Schrempp-Straße und der Friedrich-Wolff-Straße, schenkten die Stadtplaner und Architekten Pfeifer & Großmann der 1919 genehmigten Hardtwaldsiedlung eine städtebaulich unverwechselbare Besonderheit. Die 1921 erfolgte Namensgebung für den Waldring erklärt sich unmittelbar aus der Örtlichkeit. Sowohl die Karl-Schrempp-Straße (1920) als auch die Friedrich-Wolff-Straße (1920) sind nach Ehrenbürgern der Stadt Karlsruhe benannt. Beide Straßen, durch platzartige Aufweitungen unterbrochen, enden an der Alfons-Fischer-Allee. Karl Schrempp (* 26.2.1846 Oberkirch, † 4.4.1919 Baden-Baden) übernahm in jungen Jahren eine kleine Karlsruher Brauerei und entwickelte sie zu einem blühenden Unternehmen. Er machte zahlreiche soziale Stiftungen. Friedrich Wolff (* 15.2. 1833 Karlsruhe, † 17.6.1920 Karlsruhe) gründete zusammen mit seinem Vater die Parfümerie- und Seifenfabrik Wolff & Sohn und stiftete ebenso wie Karl Schrempp zahlreiche wohltätige Einrichtungen. Die beiden heute nicht mehr existierenden Firmennamen haben im Gedächtnis der älteren Karlsruher sicher einen guten Klang! 

Östlich des Waldrings mündet die von der Moltkestraße her kommende Roggenbachstraße in die Knielinger Allee. Sie wurde 1891 nach Franz Xaver August Freiherr von Roggenbach (* 20.2.1798 Schopfheim, † 7.4.1854 Karlsruhe) benannt. Nach der badischen Revolution 1848/49 baute er als Kriegsminister die badische Armee nach preußischem Vorbild neu auf.

Zwischen Erzbergerstraße und Adenauerring zweigt von der Michiganstraße nach Süden eine kurze Sackgasse ab, die Von-Beck-Straße. Sie wurde 1957 nach Bernhard von Beck (* 23.9.1863 Freiburg, † 29.12.1930 Karlsruhe) benannt. Beck wurde 1897 zum Chefarzt der chirurgischen Abteilung an das städtische Krankenhaus berufen. Ein Jahr später wurde er dessen Direktor. Er war der eigentliche Planer der Krankenhausanlage an der Moltkestraße.

Ein recht verstecktes Dasein führt der Ikarusplatz, der sich aus der Überschneidung der Friedrich-Wolff-Straße, der Lilienthalstraße und der Alfons-Fischer-Allee am Rande des Alten Flugplatzes ergibt. Obwohl in den amtlichen Plänen verzeichnet, findet sich in der Örtlichkeit kein Hinweis. Der unscheinbare Platz wurde 1950 nach der griechischen Sagengestalt Ikaros benannt. Dieser floh mit seinem Vater Daidalos auf selbst gefertigten Flügeln aus der Gefangenschaft auf der Insel Kreta. Der übermütige Ikaros kam der Sonne zu nahe, sodass das Wachs seiner Flügel schmolz und er ins Meer stürzte. 

Vom Ikarusplatz aus geht die Lilienthalstraße am Rande des Alten Flugplatzes entlang nach Norden zur Erzbergerstraße. Sie wurde 1950 nach dem Flugpionier Karl Wilhelm Otto Lilienthal (* 23.5.1848 Anklam, † (abgestürzt) 10.8.1896 Berlin) benannt. Seine vom Vogelflug abgeleiteten Ideen und Experimente brachten das Flugwesen entscheidend voran. Sein Flugprinzip war das des heutigen Hängegleiters.

Parallel zur Erzbergerstraße, eingehängt in die Lilienthalstraße und die Alfons-Fischer-Allee, liegt der August-Euler-Weg – von 1950 bis 1976 als Eulerweg verzeichnet. August Heinrich Euler (* 20.11.1868 Oelde, † 1.7.1957 Feldberg/Schwarzwald) kann ebenfalls als Pionier des Flugwesens bezeichnet werden. Er erhielt am 1. Februar 1910 des Flugzeugführerpatent „Deutschland Nr.1“. Nach dem 1. Weltkrieg leitete er das neu gegründete Reichsluftfahrtamt.

Die Straßen in der Mitte

 

Die vierte Folge befasst sich mit dem Kernbereich der ehemaligen Amerikanersiedlung (Paul-Revere-Village). Dieser wird umschlossen von der Michiganstraße im Süden, dann, weiter im Uhrzeigersinn, von der Erzbergerstraße, dem Kanalweg im Norden, der Willy-Brandt-Allee und von einem Teilstück des Adenauerrings (siehe Teil 2 dieser Folge).

Die in diesem Gebiet liegenden Straßen sind ausnahmslos nach US-Bundesstaaten benannt. Dabei fällt auf, dass bei der erstmals 1953 vorgenommenen Benennung ausschließlich Staaten der Ostküste und des mittleren amerikanischen Ostens gewählt wurden. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass es sich um die 13 Gründungsstaaten (1788 bis 1790), nämlich die ehemaligen englischen Kolonien, und um die wenig später gebildeten (1791 bis 1819), unmittelbar westlich der Appalachen gelegenen, Staaten handelt. 

Die ursprüngliche Bedeutungseinstufung der Straßen nach Avenue (Hauptstraße, Allee), Street (Straße), Drive (Fahrweg) und Lane (Gasse) wurde bei der Umbenennung im Jahr 1995 nicht beibehalten. Außerdem wurden zahlreiche kurze Straßen in die Hauptstraßen integriert. Deren aufgegebene Namen sollen dennoch kurz erwähnt werden.

Beginnen wir mit der Rhode-Island-Allee (Rhode Island Avenue). Sie verläuft östlich parallel der Erzbergerstraße und hatte daran ursprünglich 6 eigens benannte Anbindungen. Von Süden nach Norden: Georgia Street, South Carolina Street, North Carolina Street, Virginia Street, Maryland Street und Connecticut Street. Die genannten Staaten, einschließlich Rhode Island, gehören zu den 13 Gründungsstaaten der USA. Mit der Hausnummer 4 ist am südlichen Beginn der Rhode-Island-Allee seit Mai 2006 unübersehbar das Wohnstift Nord entstanden. Zwischen der ehemaligen Virginia Street und der Maryland Street liegt das heutige Ökumenische Gemeindezentrum Maria Magdalena auf einer Grünfläche, die die über 1 km lange Rhode-Island-Allee unterbricht. Hier ist außerdem eine für viele Menschen in der Nordstadt wichtige Adresse, die Marylandschule, mit der Nr. 70.

In einem leichten S-Bogen von Südwesten (Michiganstraße) nach Nordosten (Kentuckyallee) zieht sich die Tennesseeallee (Tennessee Avenue) wie eine Art Rückgrat zwischen Rhode-Island-Allee und Adenauerring/Willy-Brandt-Allee durch die grüne Mitte der Nordstadt. Im nördlichen Drittel (Haus Nr. 120) befindet sich im Kopfbau eine Ladenzeile und schräg gegenüber das Heisenberggymnasium.

Bei der Neubenennung der Straßen in der Nordstadt wurden die auf dem Schlossstrahl „Teutschneureuter Allee“ liegende Kentucky Avenue und die am Südende rechtwinklig nach Südwesten abknickende Vermont Avenue ohne Gespür für die Einmaligkeit des Karlsruher Stadtgrundrisses zur Kentuckyallee zusammengefügt (vgl. Teil 1 dieser Folge). Vermont ist der 14. der US-Bundesstaaten und gehört mit Kentucky und Tennessee zur Gruppe der Staaten der Nach-Kolonialzeit. 

Eingebettet in das aus der Kentuckyallee, dem Kanalweg und der Willy-Brandt-Allee gebildeten Dreieck liegt der Louisianaring in der Nordostecke der Nordstadt-Mitte. Die Bebauung besteht hier, wie bereits auf der Ostseite der Kentuckyallee, abweichend von den bis zu fünfgeschossigen Häusern in den übrigen Straßen, aus zweigeschossigen ehemaligen Offiziershäusern und einigen Ergänzungsbauten. Der heutige Louisianaring bestand ursprünglich aus dem Louisiana Drive und der Indiana Lane. Louisiana, am Golf von Mexiko gelegen, wurde 1812 um die 1803 von Frankreich gekaufte Stadt New Orleans gebildet, Indiana wurde 1816 in den Staatenbund aufgenommen.

Auch in dem hier betrachteten Quartier gibt es einen wenig beachteten „Platz“ mit einem kleinen, offenen Pavillon. Wie ein Medaillon an der Decke des Denkmals aus der Zeit des Paul-Revere-Village verrät, handelt es sich hierbei um den „American-German-Inventors-Park Karlsruhe“. Auf den vier gewölbten Schalenstreifen, die eine Art Kuppel bilden, wird an Thomas Alva Edison, Carl Benz, Robert Fulton und Karl Freiherr Drais von Sauerbronn erinnert. Im Jahr 2001 wurde dem Areal an der Ecke Erzbergerstraße/Kanalweg der Name Thomas-Jefferson-Platzverpasst. Thomas Jefferson (*13.4.1743 Shadwell/Virginia, † 4.7.1826 Monticello/Virginia) war der dritte Präsident der USA. Er ließ Washington in Anlehnung an den Karlsruher Stadtgrundriss aufbauen. 

Die Straßen im Norden

 

Die 5. und letzte Folge befasst sich mit den Erschließungsstraßen im Gewerbegebiet westlich der Erzbergerstraße und mit den Straßen nördlich des Kanalwegs. Wie sich deutlich in den Straßennamen widerspiegelt, befinden wir uns auf ehemals amerikanischem Gebiet.

Die Straßen nach Westen von der Erzbergerstraße abgehenden Straßen unterliegen seit dem Abriss des Gewerbegietes einiger Veränderung. Die Delawarestraße, der New-Jersey-Straße und der New-York-Straße sind die drei  aufgezählt. Sie wurden vor dem Abrisss in Nord-Süd-Richtung gekreuzt von der Mainestraße, der Pennsylvaniastraße und der Floridastraße. 

Bei den ursprünglichen Straßennamen von 1953 wurde 1996 lediglich „Street“ durch „Straße“ ersetzt. Delaware, New Jersey, New York sowie Pennsylvania gehören zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigten Staaten von Nordamerika (siehe Teil 4 dieser Folge). Maine, der nördlichste und Florida, der südlichste der Ostküstenstaaten zählen nicht dazu.

Die zwischen der Erzbergerstraße und den ehemaligen Smiley Barracks nach Norden vom Kanalweg abgehende Massachusetts Street und die Ohio Street wurden, ebenso wie die ganz im Norden in West-Ost-Richtung verlaufende New Hampshire Street, 1995 aufgehoben und in den Kanalweg integriert. Damit sind die Namen zweier weiterer US-Gründungsstaaten (Massachusetts und New Hampshire) aus der Liste der Karlsruher Adressen verschwunden. Im Zuge der weiteren Konversion im Nordosten des Stadtteils sind hingegen drei ehemals amerikanische Straßennamen wieder zu Ehren gekommen.

Im Gebiet „Nördlich des Kanalwegs – West“ wurden 2002 entlang des „Schloss-Strahls“ unverständlicherweise zwei „Ringe“ etabliert: Aus Indiana Lane (1953), heute Bestandteil des Louisianarings, wurde der Indianaring und aus Vermont Avenue (1953), heute in der Kentuckyallee aufgegangen, wurde der  Vermontring. Indiana wie Vermont sind Bundesstaaten der USA.

Das Gewerbegebiet „Nördlich des Kanalwegs – Ost“ wird seit 2001 durch die in den Kanalweg im Süden und die Straße Am Wald im Norden eingehängte Ohiostraße in zwei etwa gleich breite Streifen geteilt. Die 1995 aus den Verzeichnissen verschwundene Ohio Street wurde damit etwa 500 m weiter östlich wieder in Erinnerung gerufen. Ohio ist einer der US-Staaten südlich der so genannten Großen Seen, die sich die Vereinigten Staaten und Kanada teilen. 

Es ist nicht zu erwarten, dass sich in nächster Zeit in unserem Stadtteil an den in den vergangenen 10 Jahren eingeführten Straßenführungen und an deren Benennung etwas ändern wird, obwohl dies, wie an einigen Beispielen dargelegt, mit Blick auf die Gründungstradition der Stadt Karlsruhe und in Erinnerung an die Intentionen der Begründer der „Amerikanersiedlung“ durchaus überlegenswert wäre.